Die Königsdisziplin der Rasur

 Das klassische Rasiermesser mit seiner sprichwörtlichen Schärfe und unübertroffenen Gründlichkeit erfährt dieser Tage eine unerwartete Renaissance. Die Rasur mit dem Messer erfordert zwar einige Übung und zwingt dazu, sich etwas mehr Zeit zu nehmen. Aber vielleicht ist es gerade deshalb in unserer schnelllebigen Zeit für einige Menschen wieder attraktiv – ein willkommenes Ritual ohne Eile und Hektik. Auch deshalb sollte die Messerrasur nicht zur täglichen Pflichtübung verkommen. Wenn man es eilig hat, benutzt man den Sicherheitsrasierer – an anderen Tagen, vielleicht am Wochenende, genießt man die ruhige und stilvolle Rasur mit dem Messer.

Wer das Messer verwenden möchte und bisher noch gar nicht nass rasiert hat, der erleichtert sich den Umstieg, indem er die ersten zwei bis drei Wochen nur den Sicherheitsrasierer verwendet und schon einmal die sanfte Rasur übt. Das ist etwas einfacher als das Messer und man bekommt ein Gespür dafür, wie wenig Druck benötigt wird und übt die “Rasierstrecken”. Wer anschließend auf die offene Klinge umstellt, hat es jetzt einfacher.

Die Rasur mit dem Messer

rasiermesser-haeltZu jeder anspruchsvollen Nassrasur gehört eine feine Rasierseife und ein guter Dachshaarpinsel. Mit dem Pinsel wird die Seife fein aufgeschäumt und auf die zu rasierenden Gesichtsstellen aufgetragen. Das Barthaar wird weicher und lässt sich somit besser rasieren.Der Anfänger beginnt zunächst mit den unproblematischen glatten Gesichtszonen. Dazu hält man das aufgeklappte Rasiermesser mit Daumen und Fingern so, dass die geöffnete Schale nach unten zeigt. (siehe Abbildung)
Das Messer wird mit einem Winkel von ca. 30° geführt. Es wird im ersten Rasiergang mit und beim zweiten gegen den Bartstrich gezogen. Wenn es zu flach geführt wird, reißt das Messer die Stoppeln ab, wird es zu steil gehalten, schneidet es in die Haut. Führen Sie das Messer stets lotrecht zur Ziehrichtung, aber niemals seitlich, da sie sich sonst empfindlich schneiden können (siehe Abbildung). Einmal angesetzt, ziehen Sie es immer in einem durch und stellen Sie es an Ecken, Grübchen und Oberlippe ein wenig steiler auf.

Ein gutes After Shave gibt ein frisches Gefühl, ein guter Balsam sorgt für optimale Gesichtspflege und versorgt die strapazierte Haut mit Feuchtigkeit.

Pflege des Rasiermessers

Wollen Sie lange Zeit etwas von Ihrem schönen Rasiermesser haben,müssen Sie es beständig pflegen. Messer aus Carbonstahl sind härter und haben daher eine höhere Schnitthaltigkeit, sind dafür aber leider rostanfällig. Deshalb müssen sie nach jedem Gebrauch mit klarem Wasser abgespült und gründlich abgetrocknet werden.
Während längerem Nichtgebrauch empfiehlt sich Einfetten mit Klingenöl(link). Ebenso sollte das Messer trocken und gut gelüftet lagern. Rasiermesser aus rostfreiem Stahl sind pflegeleichter, aber von wirklichen Kennern werden die Carbonstahlklingen dennoch bevorzugt.

Abziehriemen und Ledern

 “Die Wate wächst” sagt man, gemeint ist der hauchfeine Grat auf der Schneide, der sich bei der Rasur verbiegt, aber danach in seine alte Position zurückkehrt. Kenner haben darum immer zwei Rasiermesser, die abwechselnd genutzt werden, da zwischen zwei Rasuren mindestens 24, besser noch 48 Stunden, liegen sollten, damit sich die Klinge wieder regeneriert.
Dennoch trägt sich dieser feine Grat mit der Zeit ab und dann sollte der passende Abziehriemen zugekauft werden.

Flache Messer (Stoßmesser) werden auf Stoßriemen (Riemen mit Holzgriff) abgezogen, für 1/2 oder 1/1 hohle Messer benutzt man Hängeriemen aus feinem Rindleder oder dem sehr geschmeidigen Juchtenleder, zum Teil mit Hanfschlauch auf der Rückseite; dieser dient dazu, den Grat aufzurichten. Die Lederseite kann bei Bedarf mit feiner Schleifpaste und zum abschließenden Polieren auf einem zweiten Riemen mit Polierpaste hauchfein eingerieben und mit dem Handballen eingewalkt werden.

Wir empfehlen Ihnen, für den Abziehriemen einen Haken im Badezimmer fest einzudübeln, um genügend Stabilität zu gewährleisten.

 

Ziehen Sie den Riemen auf Spannung und legen Sie die Klinge flach auf die Oberfläche des Lederriemens
(Abb. I). 

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Nun ziehen Sie die Klinge mit einem geradem Zug und mittlerem Druck entgegen der Schneide. (Abb. II)   abziehen-abb.-ii
 Am Ende des Riehmens angekommen, drehen Sie das Rasiermesser über
den Rücken auf die andere Seite (Abb. III).
Drehen Sie das Messer niemals über die Schneide, da sie sonst ballig wird und vom Fachmann nachgeschliffen werden muss!
Bitte achten Sie ebenso darauf, die Klinge am Ende nicht in einem leichten Bogen nach oben wegzuziehen. Obwohl dies bei Friseuren und vielen Filmen immer wieder zu sehen erreichen Sie damit keinen guten Abzug, im Gegenteil. Damit schließen Sie die Klinge, und das Rasiermesser erhält nicht seine optimale Schärfe.


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Ziehen Sie das Rasiermesser den Lederriemen wieder herunter. Achten Sie auch hier darauf, dass die Klinge platt am Leder anliegt
(Abb. IV)
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 Wiederholen Sie den Vorgang 10-15 mal. Damit dürfte Ihr Rasiermesser seine optimale Schärfe erhalten.
Zwischen 6 und 15 Rasuren ohne zwischenzeitliches Ledern sind möglich.

Wird die Schneide durch Fall oder beim Einklappen in die Schale beschädigt, darf es nicht mehr weiterbenutzt werden. Hier hilft kein Ledern, sondern nur der fachgerechte Nachschliff.
Wer sich in Schleifen sicher fühlt und einen sehr guten und feinen Nassschleifstein hat, wie sie hier auch angeboten werden, kann sein Messer auch wieder herrichten. Das Prinzip des Schleifens ist dem des Abziehens auf dem Leder identisch.

Klingenausführungen und Schalen

Rasiermesser werden in verschiedenen Varianten von Klingenköpfen gefertigt. Hier die drei üblichen Grundformen:

klingenkopf-typen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

klingentypen

Darüber hinaus wird es in drei unterschiedlichen Schliff-Formen unterschieden:


Das derbe (A),

das hohle (B)

und das 1/4 hohle Messer (C)

Die Breite unserer Rasierklingen wird in dem alten Maß des Rheinischen Zoll (2,67cm) angegeben,  ein 4/8” Messer hat eine Breite von ca. 1,34 cm. Im alltäglichen Gebrauch werden folgende Ausführungen gebraucht:

Das  3/8" derb oder 1/2" hohl; für Salon- u. Klinikbedarf, Augenbrauen  

Das  4/8" derb oder 1/2" hohl;für Salon- u. Klinikbedarf, schwachen Bart  

Das  5/8" 1/2" hohl oder 1/1" hohl;  für universelle Bartrasur  

Das 6/8" Gradkopf oder Spitzkopf; für den erfahrenen Rasierer 

Das  7/8" oder 1/1 hohl mit Doppelansatz für sehr starken Bartwuchs

Die Schale der Rasiermesser  besteht zum Schutz der empfindlichen Klinge wenn sie nicht in Gebrauch ist und ist eine Zier. Sie können aus den unterschiedlichsten Materialien sein: Celluloid (als Schildpatt-, Elfenbein- oder Perlmutt-Imitat), echtem Büffelhorn oder Perlmutt, Ebenholz, Pakkawood, Micarta, Knochen oder auch rostfreiem Stahl.

 

Die Herstellung

messeraufbau

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Herstellung eines Rasiermessers ist sehr arbeitsaufwendig und es sind an die 70 Arbeitsschritte notwendig  um es herzustellen. Jeder dieser Arbeitschritte bedeutet echte Handarbeit.
Als Basis für gute Rasiermesser werden Normalstähle mit einem Kohlenstoffanteil von mindestens 0,6% bevorzugt, um ein Höchstmaß an Härte, Elastizität und Verschleißresistenz zu erreichen. Der Messer-Rohling wird aus einem Spaltstück zwischen 20-25 mm Breite und 5-6 mm Stärke gefertigt.  Die aufgeglühten Spaltstücke werden unter riesigem Druck eines Fallhammers im Gesenk warmgeschmiedet. Der Veredelungsprozess, oder auch das Härten genannt, ist entscheidend für die Qualität des Rohlings. Je nach Stahlqualität wird dieser auf bis zu 1.300°C erhitzt und anschließend in Spezialöl abgeschreckt. Dabei muss der Schmied auf die richtigen Temperaturen achten. Das darauffolgende Anlassen bei 200°C bis 400°C, je nach Stahlsorte, gibt der Klinge Elastizität und Zähigkeit.

In ca. 15 Arbeitsschritten wird die Klinge nun auf Spezialmaschinen hohl geschliffen. Zuerst werden Erl und Rücken geschliffen und feingeschliffen, danach wird die Hohlseite gepliesstert (spezieller Feinschliff bzw. Politur mit feinsten Körnungen). Sobald die beiden Schalenhälften so befestigt worden sind, dass ein leichtes Einklappen des Rasiermessers garantiert werden kann, erfolgen die letzten Kontrollarbeiten, wie z. B der Feinabzug, Ledern und Einfetten. 

Auch heute hergestellte Rasiermesser werden noch wie vor 100 Jahren in der gleichen Art und Weise hergestellt wie früher; die Maschinen des Fertigungsprozesses haben sich seitdem kaum verändert.